Klage gegen Amazon: Handelsverband reicht Beschwerde bei BWB ein

Die Marktmacht von Amazon wächst sehr stark. Ziel ist die Herstellung eines fairen Wettbewerbs durch Eliminierung von laut Presseaussendung des Handelsverbands mutmaßlich wettbewerbswidrigen Geschäftsbedingungen.

Die Umsätze sind im letzten Jahr um zehn Prozent gewachsen. Auch die Marktkonzentration steigt ins Unermessliche. Trotz des eCommerce-Booms verzeichnet nur noch ein Bruchteil der 9.000 heimischen Onlineshops Umsatzzuwächse. Die zehn größten Webshops erwirtschaften hierzulande mehr Umsatz als die folgenden 250.

Amazon machte 2017 in Österreich rund 690 Mio. Euro Umsatz – hinzu kommt ein Umsatzvolumen von mindestens 700 Mio. Euro über den Amazon-Marktplatz. Der Handelsverband hat angesichts dieser Dominanz und einiger fragwürdiger Geschäftsbedingungen von Amazon nun erstmals Beschwerde bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eingelegt.

Webshop und Marktplatz: Doppelrolle von Amazon als Hauptproblem

„Mittlerweile wird bei uns fast jeder zweite Euro im eCommerce bei Amazon ausgegeben“, sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes. Der heimische Handel ist in einer Schere gefangen. Das Hauptproblem ist die Doppelrolle des Marktführers: „Amazon ist einerseits ein klassischer Online-Händler, andererseits aber auch der größte Marktplatz – sprich, andere Webshops können sich auf der Amazon-Plattform listen lassen. Als führender Marktplatz kann Amazon theoretisch die Daten der gelisteten Händler einsehen, deren Preise unterbieten und langfristig das gesamte Geschäft an sich binden. All das läuft gänzlich an der österreichischen Volkswirtschaft vorbei“, bestätigt Will.

Amazon besitzt KundInnendaten von 93 Prozent der heimischen Online-Shopper und aller gelisteten heimischen Händler

Mittlerweile haben bereits 93 Prozent aller österreichischen Online-Shopper zumindest einmal bei Amazon eingekauft. „Uns bereiten aber nicht nur die Warenkörbe Sorgen, sondern vor allem der Umstand, dass fast alle KonsumentInnendaten bei einem US-Konzern liegen“, erklärt Rainer Will.

Dank seines Marktplatzes verfügt Amazon aber nicht nur über unzählige KundInnendaten, sondern auch über die Daten aller dort gelisteten Händler – und das sind fast alle heimischen Webshops. Der Konzern kann diese nutzen, um etwa das Eigensortiment bzw. Eigenmarken wie „Amazon Basics“ dort zu stärken, wo andere Händler mit „Bestsellern“ erfolgreich sind, und damit letztere vom Markt verdrängen.

Diese monopolartige Entwicklung hat verheerende Auswirkungen für die österreichische Volkswirtschaft, für den Handel und mittelfristig für alle 600.000 Handelsbeschäftigten. „Fast 60 Prozent aller Onlineumsätze fließen ins Ausland ab. Damit finanzieren die österreichischen KonsumentInnen rund 20.000 Arbeitsplätze im Ausland, was den heimischen Handel als Rückgrat der Wirtschaft, Beschäftigungsmotor und flächendeckenden Nahversorger massiv unter Druck bringt. Gerade zu Weihnachten sollten wir daher alle genau überlegen, wo wir einkaufen“, appelliert Will an die KonsumentInnen.

„FairCommerce“: Handelsverband bringt erstmals in Österreich Beschwerde gegen Amazon bei Bundeswettbewerbsbehörde ein

Die EU-Kommission hat Amazon ebenfalls bereits im Visier und kürzlich Untersuchungen eingeleitet sowie förmliche Auskunftsverlangen an die Marktplatzhändler gerichtet. Eine Regulierung, die der Entwicklung entgegenwirkt, wurde bis dato aber noch immer nicht erlassen. Daher hat sich der Handelsverband nun zu einem eigenen Schritt entschieden. „Ende 2015 haben wir erstmals aufgezeigt, wo die Probleme liegen. Drei Jahre sind seither vergangen, doch die Politik hat den Markt trotz aller Bemühungen nicht sinnvoll regulieren können. Globalen oder zumindest europaweiten Lösungen stehen Partikularinteressen einzelner Länder und jahrelange Blockadehaltungen entgegen. Dies führte uns zum Entschluss, als erste Organisation in Österreich selbst eine Beschwerde bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) einzulegen und damit den Stein ins Rollen zu bringen. Die Zeit läuft uns davon, wir können nicht länger warten“, ist Will überzeugt.

Konkret sollen die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen gegenüber den heimischen Händlern auf dem Amazon-Marktplatz überprüft werden. Der Handelsverband hat umfassende Analysen durchgeführt: Damit Händler über Amazon ihre Produkte verkaufen können, müssen diese die Geschäftsbedingungen, die mit erheblichen Unklarheiten und Vorbehalten zugunsten Amazons verbunden sind, akzeptieren. Amazon behält sich beispielsweise das Recht vor, die Verträge mit seinen Händlern jederzeit ohne Grund und mit sofortiger Wirkung zu kündigen oder auszusetzen. Von einem auf den anderen Tag kann einem Unternehmer seine komplette Geschäftsbasis entzogen werden: Je kleiner ein Webshop-Betreiber, desto größer die Abhängigkeit und der relative Anteil an Umsätzen, die nicht über den eigenen Webshop erwirtschaftet werden, sondern über Amazon.

Viele Marktplatzhändler berichten auch davon, dass gelistete Produkte, die auf dem Marktplatz gut laufen, oft von Amazon selbst übernommen und günstiger angeboten wird. Marktplatzhändler werden durch diese Praxis gezielt vom Markt verdrängt. „Wir befürchten, dass ein unerlaubter Datenaustausch zwischen der Online-Einzelhandelstätigkeit von Amazon und der Marktplatztätigkeit dies möglich macht“, so Will.

Betroffene Unternehmen können sich beim Handelsverband unter ombudsstelle@handelsverband.at melden. Der Verband leitet die Sachverhalte anonymisiert an die Behörde weiter.

Das Ziel ist primär fairer Wettbewerb – durch eine strikte Trennung der beiden Funktionsbereiche, in denen Amazon einerseits als direkter Online-Einzelhändler fungiert und andererseits als Marktplatzanbieter. Eine gesellschaftsrechtliche Trennung innerhalb des Konzerns ist hier jedenfalls nicht ausreichend, um die Dateneinsicht als Wettbewerbsvorteil zu beseitigen.

Durch die Untersuchung der BWB soll vor allem erreicht werden, dass das Kartellgericht Amazon einen Auftrag erteilt, mutmaßlich wettbewerbswidrige Klauseln und Formulierungen aus den Marktplatzverträgen zu eliminieren, um „FairCommerce“ zu ermöglichen. Geldbußen bis zehn Prozent der im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Umsätze sind bei Verfahren dieser Art möglich, eine Zerschlagung nur dann, wenn keine anderen gleich wirksamen Maßnahmen zur Verfügung stehen.

12.12.2018

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