Anzeiger 10/2020 – „Ich bin auch eine Gestalterin“

Die Staatssekretärin für Kunst und Kultur Andrea Mayer über ihre Verbindung zur Buchbranche, die Erfindung der Buch Wien und Pläne für die Zeit nach der Pandemie.

Interview: Teresa Preis

Die gebürtige Amstetterin Andrea Mayer wurde im Mai diesen Jahres zur Staatssekretärin für Kunst und Kultur angelobt und übernahm das Amt damit mitten in der Krise. Nach einem Studium der Geschichte, Germanistik und Rechtswissenschaften­ hatte sie in den 1990er-Jahren ihre Karriere im öffentlichen Dienst begonnen und zuletzt als Kabinettsdirektorin­ der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei unter Bundespräsident­ Alexander Van der Bellen gearbeitet.

Frau Staatssekretärin, Sie sind mitten in der Krise berufen worden. Welche Themen und Projekte haben für Sie oberste Priorität?

Andrea Mayer – Das stimmt, 2020 ist ein sehr schwieriges Jahr. Thema Nummer eins ist naheliegend: Seit Monaten sind wir vor allem damit beschäftigt, die Gesundheitskrise und die Folgen für die Branche zu managen. Ich denke, da ist uns vieles gelungen. Für den Kulturbereich wurden bis jetzt mehr als 160 Millionen Euro in die Hand genommen. Mein Ziel ist, die Kulturbranche gut durch die Krise zu führen. Diese wird noch einige Zeit dauern – da bin ich Realistin. Neben Krisenmanagerin­ bin ich aber auch Gestalterin. Es gibt viele andere Themen, die wir gerade bearbeiten: etwa faire Bezahlung von Künstlerinnen und Künstlern, Absicherung und Weiterentwicklung der Kulturinstitutionen, ökologische Nachhaltigkeit im Kulturbereich­ und vieles mehr. Besonders wichtig ist mir, die österreichische Kunst im Ausland verstärkt sichtbar zu machen und Innovation in allen Sparten zu fördern. Ich bin jedenfalls froh, dass wir das Budget 2021 nun in trockenen Tüchern haben. Ich denke, uns ist hier echt viel gelungen – denn das Kunst- und Kulturbudget 2021 weist ein großes Plus auf. Das ermöglicht uns starke und neue Akzente für den österreichischen Kulturbereich zu setzen. Diese kommen auch der österreichischen Literatur zugute.

Krisenbedingt ist die Verlagsförderung heuer um 800.000 Euro aufgestockt worden. Welche Maßnahmen sollten damit umgesetzt werden?

Mayer – Wir haben die Mittel für Werbung und Vertrieb verdoppelt, weil Bücher Öffentlichkeit benötigen und zur Leserschaft kommen müssen. Verlage können mit diesen Sondermitteln noch stärker als bisher ins Marketing investieren. Eine bedeutende Maßnahme in dieser Zeit.

Seit Juni liegt die Mehrwertsteuer für Gas­tronomie, Kultur und Medien sowie für Bücher bis Jahresende bei fünf Prozent. Da Bücher in Österreich der Buchpreisbindung unterliegen, hatte diese Maßnahme für die Branche eine besondere Bedeutung. Welche Auswirkungen konnten Sie bislang beobachten?

Mayer – Mit der Mehrwertsteuersenkung auf fünf Prozent haben wir denselben ermäßigten Steuersatz wie in Deutschland. Das hilft natürlich dem Buchhandel und damit auch den Verlagen und den Autorinnen und Autoren.

Ist geplant, diese Senkung auch auf das Jahr 2021 auszudehnen?

Mayer – Die Bundesregierung hat die Verlängerung der Umsatzsteuersenkung bereits angekündigt. (Ein Fahrplan zum weiteren Vorgehen folgt nach Vorliegen der entsprechenden Beschlüsse im  anzeiger – Anm. d. Red.)

Die Buch Wien, das größte Literatur­ereignis­ des Jahres, wurde nun abgesagt. Was verbinden Sie mit dieser Veranstaltung ­persönlich?

Mayer – Ich war bei der „Erfindung“ der Buch Wien dabei und habe sie während meiner Zeit als Leiterin der Kunstsektion begleitet. Als sie dann 2008 zum ersten Mal über die Bühne ging, war ich begeistert. Nicht nur von der Messe selbst, sondern vom inspirierenden Rahmenprogramm, das in ganz Wien stattfand. Seitdem habe ich keine Buch Wien ausgelassen. Auch privat habe ich sie regelmäßig besucht. Die Buch Wien ist eine Erfolgsgeschichte. Sehr schade, dass sie heuer ausfällt.

Die Absage bedeutet den Ausfall Hunderter Veranstaltungen und der Bühne für ­Neuerscheinungen aus österreichischen und internationalen Verlagen. Welche Auswirkungen sehen Sie für den Markt?

Mayer – Die Absage der wichtigen Buchmessen in Leipzig, Frankfurt und Wien bedeutet, dass das Schaufenster für neue Bücher heuer kleiner geworden ist. Notwendig ist daher, andere Kommunikationskanäle und Kooperationen zu suchen und verstärkt einzusetzen:­ Radio, Fernsehen, Printmedien, Buchhandlungen und Büchereien können sich für die Neuerscheinungen aus dem Frühjahr und dem Herbst noch stärker als bisher einsetzen. Sie können dem Buch aus Österreich eine Bühne bieten.

Wird sich die Buch Wien nach der Pandemie anders aufstellen müssen? Wo sehen Sie deren Chancen?

Mayer – Wir wissen heute nicht, wie der Herbst 2021 aussehen wird. Aber zum einen haben wir in den vergangenen Monaten gelernt, mit der Pandemie umzugehen, zum anderen sehnen sich die Menschen in unserem Land nach Kunst und Kultur wie kaum zuvor. Daher lassen Sie mich optimistisch sein und eine Prognose wagen: Die Buch Wien 2021 wird an die bisherigen Erfolge anknüpfen.

Österreich wird Gastland der Leipziger Buchmesse im März 2022. Wie kam es dazu und was bedeutet das für die österreichische Literatur aus Ihrer Sicht?

Mayer – Diese Idee begleitet mich schon seit meiner Zeit als Sektionschefin. Ich freue mich sehr, dass das nun in diesen schwierigen Zeiten ein deutliches Signal ist: Es geht weiter. Es gibt eine Zeit nach Corona. Der Auftritt Österreichs als Gastland in Leipzig 2022 schafft die Möglichkeit für eine erfolgreiche­ Positionierung der Literaturlandschaft Österreichs. Wichtig ist für mich, dass unser Engagement nachhaltig wirkt. Es soll den Autorinnen und Autoren sowie den Verlagen bezüglich Ansehen und Wirtschaftlichkeit dienlich sein. Zudem soll es Österreich als Kunst- und Kulturnation international weiter stärken.

Schon als Sektionschefin für Kunst haben Sie sich für die Literatur eingesetzt. Welche Ihrer Entscheidungen in dieser Position halten Sie für die wichtigste?

Mayer – Es war ja ein Bündel von vielen Maßnahmen, das wir umgesetzt haben. Alle waren wichtig. Wir haben etwa die Literaturstipendien erhöht und neue Stipendien für junge Autorinnen und Autoren geschaffen. Die Fülle an wunderbaren Debüts zeigt mir, dass wir zur richtigen Zeit die richtigen Schritte gesetzt haben. Die Verlagsförderung wurde damals aufgestockt. Der Österreichische Buchhandlungspreis wurde ins Leben gerufen. Und der Österreichische Buchpreis wurde eingeführt. Der feiert heuer sein fünfjähriges Jubiläum, was mich natürlich sehr freut. Er ist ein fixer Bestandteil unseres Literaturkalenders geworden.

Als Staatssekretärin müssen Sie sich um alle Belange der Kultur kümmern. Kommt die ­Literatur nun zu kurz?

Mayer – Auf keinen Fall. Im Gegenteil: In dieser Krise sind der Austausch und die Kooperation mit den Vertreterinnen und Vertretern des Literaturbereichs sogar mehr geworden. Der Kraftakt, die Pandemie zu stemmen, hat alle enger zusammenrücken lassen.

Was würden Sie sich von den heimischen Verlagen für die Zukunft wünschen?

Mayer – Dass sie weiterhin großartige und aufregende Bücher publizieren, dass sie sich weiterhin trauen, Neues auf den Markt zu bringen, und dass Bücher aus Österreich weiterhin erfolgreich sind.

Wo, meinen Sie, hätten die Buchhändlerinnen und Buchhändler künftig die größten Chancen? Im Onlinegeschäft oder doch in den Service- und Beratungsleistungen des stationären Handels?

Mayer – Online einzukaufen hat schon seine Vorteile für den Konsumenten und die Konsumentin sowie für den Buchhandel. Es ist ein wichtiger Verkaufskanal. Gerade während der Pandemie hat man das gesehen. Andererseits geht nichts über eine Buchhandlung, in der Kundenberatung und Menschlichkeit großgeschrieben ­werden.

Was sind die Hintergründe für Ihr besonderes Engagement für die Buchbranche?

Mayer – Ich lese seit meiner Kindheit sehr gern. Bücher sind treue und geduldige Begleiter. Sie sind da, wenn du sie brauchst, sie bringen dich zum Lachen oder Weinen, sie sind geduldig und warten auf dich, wenn du beim ersten Mal nicht sofort mit ihnen ins Gespräch kommst. Mit Büchern lässt es sich überallhin reisen, in die Vergangenheit, durch die Gegenwart, in die Zukunft und in Richtung Unmöglichkeit.

Und zum Schluss: Wo kaufen Sie Ihre Bücher ein?

Mayer – Am liebsten in einer guten Buchhandlung. Hier spielt das wahre Literaturleben. Ich genieße es, durch die Reihen der Regale zu schlendern, den Blick schweifen zu lassen, Bücher zu entdecken, die ich immer schon unbedingt lesen wollte, obwohl ich es noch gar nicht wusste. Dort finde ich Bücher, die mich auf Ideen bringen. Nicht zu vergessen: der typische Duft nach bedrucktem Papier. Manchmal bestelle ich online bei einer Buchhandlung in Wien, wenn es schnell gehen muss oder etwa im Corona-Lockdown. Gerne nehme ich auch einmal ein Buch von einem Offenen Bücherschrank mit, wenn ich vorbeigehe. Ich mag den Re-Use-Gedanken.

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