anzeiger 4/2022 – Gewinnende Buchgeschäfte

Buchhandlungen als kulturelle Anker: Sechs Buchhandlungen des Landes haben in dieser Rolle besonders überzeugt und wurden mit dem Österreichischen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Wie rüsten sie sich für die Zukunft?

Text: Lisa Schöttel

Es erfordert einiges an Ideenreichtum, Kommunikationsgeist und Beständigkeit, um Menschen in Buchhandlungen zu holen. Eine Fachjury hat wieder sechs von ihnen ausgewählt, die mit ihrem Laden einen besonderen Ort der Vernetzung und des Diskurses geschaffen haben und gleichzeitig mit innovativen Geschäftsmodellen für die kulturelle Grundversorgung in ihrer Region sorgen. Der Preis wird vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB) gemeinsam mit dem Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS) vergeben. Hier nun die Gewinner:innen über das Erfolgskonzept ihrer Buchhandlung.

Die Buchhandlung als Angelpunkt für lebendigen Diskurs

Carl Mitterbauer, Inhaber der Buchhandlung Mitterbauer in Purkersdorf, hat seine Liebe zum Buch in einer Arbeiterbibliothek entdeckt. „Für mich ist das Buch einerseits Heimat, andererseits Initialzündung, die einen Diskurs anregen kann.“ Die Buchhandlung sollte im besten Fall ein Ort sein, an dem unterschiedliche Menschen zueinander in Dialog treten. Diesen Raum zu schaffen hält Mitterbauer für das Erfolgskonzept seiner Buchhandlung. „Wir nehmen die Menschen wahr und kommen mit ihnen ins Gespräch. Diesen Dialog schätzen die Kund:innen.“

In Zeiten von Einschränkungen und Homeoffice wuchs dieser Wunsch nach persönlichem Austausch. Für Michaela Santer von der Stadtbuchhandlung in Liezen ist es immer noch die persönliche Beratung, die sie liebt. „Vor allem in den letzten Jahren haben wir gemerkt, wie wichtig die persönliche Ebene ist – viel wichtiger als der Umsatz.“ Sie kennt ihre Kund:innen genau und weiß, was sie lesen. „Das geht stark ins Private – mit vielen verbindet mich eine jahrelange Freundschaft.“ 2021 hat die Quereinsteigerin eine Buchhandlung gegründet. Nach zehn Jahren wollte sie Verlags- und Außendienstluft schnuppern, um dann 2015 wieder eine Buchhandlung zu übernehmen. Letztes Jahr ist sie mit der Stadtbuchhandlung an einen neuen Standort übersiedelt. „Wir haben jetzt ein eigenes Lesecafé, viel Licht und ausreichend Platz für Lesungen und Veranstaltungen.“

Mit kleinen Dingen Brücken für Kund:innen bauen

Oft sind es kleine Dinge, die eine große Wirkung erzielen. „Für mich ist eine Buchhandlung ein Ort der Ruhe und des Ankommens“, erzählt Jürgen Pokorny von Buch Papier Pokorny in Oberwart. „Sozusagen der Friseur des 21. Jahrhunderts.“ Allerdings sei es vor allem in ländlichen Regionen oft herausfordernd, Menschen die Schwellenangst zu nehmen und mit ihnen in ein Gespräch zu kommen. „Irgendwann haben wir eine Kaffeemaschine in die Buchhandlung gestellt und den Kund:innen Kaffee angeboten, während sie in unserem Sortiment gestöbert haben. Das hat das Eis gebrochen, und sie sind immer wieder zu uns gekommen.“

Auch Wolfgang Pfeifenberger der Buchhandlung Pfeifenberger in Tamsweg sieht es als seine Aufgabe, die Menschen aus ihrer Zurückgezogenheit zu holen – jetzt mehr denn je.  „Eine Buchhandlung in Zeiten wie diesen braucht nicht nur ein sorgfältig ausgewähltes Sortiment, sondern auch einen behutsamen Ansatz, wie mit der höchst sensibilisierten Leserschaft umzugehen ist“, erklärt er. Mit Standhaftigkeit, Überzeugung und innovativen Ideen möchte er als Buchhändler seine Leserschaft bei Laune halten und sie zum Lesen wie auch zum Besuch von Literaturveranstaltungen motivieren. Passend dazu auch das Jahresmotto der Buchhandlung für das kommende Jahr: Bücher bauen Brücken. „Wir möchten Literatur lebendig präsentieren, und die Autor:innen und Leser:innen zum Austausch motivieren.“

Erfahrung in Buchgeschäft und unstillbare Leselust

Nina Oechsli träumte ihr Leben lang von der eigenen kleinen Buchhandlung. Während eines Praktikums beim Zsolnay/Deuticke Verlag verlor sie ihr Herz an Wien, wanderte aus und gründete Oechsli Buch & Papier in der Berggasse im 9. Bezirk. „Es macht mich sehr glücklich, dass ich mir diesen Traum erfüllen konnte – und es sich auch nach fünf Jahren immer noch richtig anfühlt.“ Ihr Erfolgsrezept? „Viel Erfahrung und unstillbare Leselust. Nach dreißig Jahren im Buchgeschäft weiß ich, was im Regal stehen soll, und wo ich Schwerpunkte setzen möchte. Daraus ergibt sich ein sehr persönliches und stimmiges Sortiment. Das wissen meine Kund:innen zu schätzen.“

Eine Neuerung gibt es beim diesjährigen Österreichischen Buchhandlungspreis: einen sechsten Preis, allerdings ohne Preisgeld. Er geht an die Buchhandlung Tyrolia in Innsbruck. Man freue sich sehr über die Auszeichnung, meint Tyrolia-Geschäftsführer Stephan Bair: „Der Preis ist für uns eine schöne Anerkennung dafür, was unsere fünfzig Kolleg:innen im Haus täglich leisten.“ In der Zeit der Coronapandmie ist die Buchhandlung in der Maria-Theresien-Straße von einem Tag auf den anderen gewissermaßen zur Versandbuchhandlung mutiert und musste das Gros der Bestellungen abwickeln. „Der Preis soll Anlass sein, uns bei den Kolleg:innen für ihre herausragende Arbeit bedanken“, so Bair. Besonderer Dank gilt den beiden Filialleiterinnen Daniela Greimel und Barbara Kumpitsch, die stets Augen und Ohren offen halten und mit innovativen Lösungen wie Bücherabonnements oder dem 1. Tyrolia Romance-Festival die Buchhandlung „am Puls der Zeit halten“.

Neue Schwerpunkte für den Lesenachwuchs

Besonderes Augenmerk legt man in der Buchhandlung Tyrolia in Innsbruck auf die Stammkundschaft und den Lesenachwuchs. „Wir engagieren uns sehr in der Leseförderung, arbeiten eng mit Schulen zusammen und haben auch in der Sortimentsauswahl neue Schwerpunkte gesetzt“, so Filialleiterin Daniela Greimel. Input hole sie sich dabei direkt von den Youngsters. „Wir verschließen uns keinen Trends und bleiben flexibel, schließlich wollen wir mit der nächsten Generation mitwachsen.“

Jürgen Pokorny versucht ebenfalls dem Geschmack der Jugendlichen zu entsprechen. „Viele Influencer und YouTuber schreiben mittlerweile Bücher – da sollte man als Buchhändler:in nicht die Nase rümpfen, sondern offen und flexibel bleiben.“ Als besonders herausfordernd sieht er die Aufgabe, den Ort „Buchhandlung“ in den Köpfen der Jugend als Freizeitort zu etablieren. Er hat dafür seine eigenen Strategien. „Mittlerweile kommen die Jugendlichen zum Schmökern in die Buchhandlung, statt draußen auf den Bus zu warten“, erzählt er. „Die meisten Jugendlichen wollen dabei ihre Ruhe und melden sich, wenn sie was brauchen. Bei mir muss niemand Angst haben, einen Germanistenvortrag zu bekommen.“

„Der Versuch, die Kund:innen so weit wie möglich wahrzunehmen, betrifft nicht nur Erwachsene, sondern beginnt bei den Kindern. Ihnen sollte in der Buchhandlung Raum zum Entdecken gegeben werden“, so Carl Mitterbauer. Eines der Fundamente einer Buchhandlung sei die Bereitschaft, von der kleinen und großen Kundschaft, zu lernen. „Oft weiß ein Sechsjähriger mehr über Dinosaurier als ich“, fügt er hinzu. Für diesen Wissenstransfer brauche es auch weiterhin den stationären Buchhandel, damit der Austausch nicht nur mehr über das Internet abgehandelt werde.

Digitale und analoge Verbindungen für den literarischen Austausch

Über alle Generationen hinweg beobachtet Michaela Santer eine Tendenz zur Lesemüdigkeit. „Da ist es wichtig dranzubleiben, das Sortiment durchzumischen, und einfach präsent zu sein, auf welchem Kanal auch immer.“ Die Verbindung zur nächsten Lesegeneration schafft die Buchhändlerin über ihre zwanzigjährige Tochter, die auch für die Kommunikation per Facebook und Instagram verantwortlich ist. „Wir versuchen den persönlichen Kontakt digital und analog auf allen Ebenen zu halten. Bei der jüngeren Generation geht das über die Social-Media-Kanäle einfacher.“

Das Ineinandergreifen der digitalen und analogen Welten ist auch für Wolfgang Pfeifenberger eine wichtige Zukunftsperspektive. „Ich möchte mit meinem Team alle Möglichkeiten der modernen Kommunikation ausschöpfen: von regelmäßigen Newslettern über eine ausführliche Website-Erneuerung hin zum Ausbau unseres Onlineshops.“ Das Team der Buchhandlung Pfeifenberger soll direkt in digitale Kommunikation mit der Leserschaft treten, nur so kann der Mehrwert von literarischem Austausch „modern gestaltet und mühelos vervielfacht werden.“

Was braucht eine Buchhandlung von morgen?

Die Buchhandlung als kulturellen Ankerpunkt attraktiv zu halten ist die große Herausforderung der Zukunft für alle sechs preisgekrönten Buchhandlungen. Nina Oechsli sagt dazu: „Wer nur ein Buch bestellen will, kann das auch mit einem Klick tun. In eine Buchhandlung einzutreten, ist eine kleine Reise. Es sind die Begegnungen mit Büchern und Menschen, die eine Buchhandlung zu etwas ganz Besonderem machen.“  Damit dieser Ort auch weiterhin in dieser Form bestehen kann, ist für sie die Buchpreisbindung ein wichtiger Faktor. „Ich hoffe, dass daran nicht gerüttelt wird, denn ich habe miterlebt, was das anrichten kann.“

Ein fester Ladenpreis, der an die steigenden Kosten angepasst wird, ist auch für den Buchhändler Carl Mitterbauer unumgänglich, damit Buchhandlungen weiterhin bestehen können. Außerdem sei es die Aufgabe der Politik, transnationale Konzerne zu besteuern, damit es hier zu einer Wettbewerbsgleichheit komme. In den kommenden Jahren möchte er seinem Konzept treu bleiben, und seine Buchhandlung als Ort mit Bildungsauftrag, Unterhaltung und sozialem Auftrag führen. Dafür investiert er das Preisgeld in Lesungen und Bücher. „Letztes Jahr hatten wir unser dreißigjähriges Jubiläum, und konnten es wegen Corona nicht feiern – das holen wir jetzt mit unseren Kund:innen nach.“

Ein bisschen Magie, neue Regale und viele Feste

Nina Oechsli setzt weiterhin auf die Magie des Buches, auf ihren eigenen Lesehunger und ihre unstillbaren Neugierde. „Stets überlege ich: Wer liest was? Was beschäftigt die Menschen, und finde ich das richtige Buch dafür?“ Mit dem Preisgeld hat die Buchhändlerin sich selbst ein Geschenk gemacht, und ein Bild gekauft. „Einen Teil möchte ich außerdem spenden und wieder ins Sortiment investieren.“

Jürgen Pokorny wird das Preisgeld in die Renovierung des Buchgeschäftes investieren.  „Als ich die Nachricht von meinem Gewinn erhalten habe, war mein erster Gedanke: Super, endlich neue Regale!“ In Zukunft möchte er außerdem die Kommunikation in alle Richtungen – mit Autor:innen, Verleger:innen und Kund:innen – vertiefen.

Als wichtigen Aspekt seiner Arbeit als Buchhändler sieht Wolfgang Pfeifenberger die Literatur- und Leseförderung im Lungau. Das Preisgeld fließt deshalb primär in diese Bereiche – analog wie digital –, um einen soliden Grundstein für die nächste Generation zu setzen. Aber zuerst wird dem gesamten Team gefeiert. Pfeifenberger: „Unser Erfolg kommt durch das Miteinander und die gute Zusammenarbeit.“

In Liezen plant Michaela Santer ein großes Lesefest, um die Auszeichnung zusammen mit den Kund:innen und Mitarbeiter:innen gebührend zu feiern. „Die Auszeichnung ist für mich eine Bestätigung für die Arbeit der letzten zwanzig Jahre und für uns alle eine große Freude.“

(c) Georg Feierfeil
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