Anzeiger 5/2020 – Aus Rache in Salzburg begraben sein

Erich Wolfgang Skwara schätzt das Schöne, liebt die feine (italienische) Lebensart, bewundert außergewöhnliche Menschen und sucht nach Gräbern berühmter Autoren. Zwei Bücher und seine Tagebücher will er noch fertigstellen, dann kann ein Friedhof in Salzburg kommen.

Interview: Erich Klein

Erich Wolfgang Skwara, 1948 in Salzburg geboren, ist eine schillernde Figur. Sein literarisches Werk, Romane, Erzählungen und etliche Gedichtbände, umfasst zwei Dutzend Bücher: Jahrzehntelang war er in San Diego, Kalifornien, als Literaturprofessor tätig; als Übersetzer übertrug er unter anderem Rousseaus „Gesellschafsvertrag“, Gustave Flauberts Spätwerk „Bouvard und Pécuchet“ oder die Autobiografie des Regisseurs Claude Lanzmann ins Deutsche. Doch mittlerweile ist der von Schriftstellerkollegen wie Martin Walser und Peter Handke hochgeschätzte Autor in Österreich beinahe vergessen. Beim Berliner Verlag Matthes & Seitz erschien soeben seine Übersetzung des französischen Klassikers „Adolphe“ von Benjamin Constant und in der Wiener Edition Korrespondenzen der Roman „Mare Nostrum oder Ein Bahnhof für jene, die ankommen“. Der anzeiger traf den Autor noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Florenz, wo der Kosmopolit Skwara einen Gutteil des Jahres verbringt.

Herr Skwara, Sie leben abwechselnd in den USA und Italien. Warum hat es Sie gerade nach Florenz verschlagen?

Erich Wolfgang Skwara: Ich lebe ja nicht im heutigen Florenz, ich lebe mit den Medici in der Zeit zwischen 1450 und 1500. Deshalb bin ich hier. Von jener Zeit bis in die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts gab es einen großen kulturellen Bogen, der dann zersprungen ist. Heute laufen wir, das Abendland und vielleicht die ganze Welt, barfuß über Scherben. So kommt es zumindest mir vor. Wir verletzen uns unentwegt, weil nichts mehr der Ordnung entspricht, die es einmal gegeben hat.

Ihr Freund Martin Walser schrieb einmal über Sie: In der Literaturgeschichte wird man sich noch den Kopf darüber zerbrechen, warum Germanisten und Literaturkritiker auf Skwara nicht einsteigen wollten. Wie fühlen Sie sich als Außenseiter?

Skwara: Ich habe nie verstanden, was das Problem dabei ist. Warum wollen alle, dass jeder bei den Bewegungen mitmacht, die es in der Literatur gerade gibt? Niemand ist dazu verpflichtet. Ich habe es immer als Lob empfunden, wenn ich als Außenseiter bezeichnet wurde. Gott sei Dank, dachte ich, bin ich ein Außenseiter!

Sie sind im Salzburg der 1950/60er-Jahre in sogenannten bescheidenden Verhältnissen aufgewachsen. Aus Ihren Büchern schließe ich, dass Sie diese Rolle schon sehr früh wählten.

Skwara: Bis ins Alter von etwa zweiundzwanzig habe ich die Menschen in Salzburg sehr gern schockiert, indem ich erklärte: Ich bin wie Oscar Wilde und André Gide Päderast, ich liebe nur schöne Knaben. Das habe ich überall deklariert, auch gegenüber Lehrern in der Schule. Ich wollte die anderen damit mundtot oder vielleicht auch wütend machen. Heute würde man dafür eingesperrt, aber damals ging das durch. Man wurde höchstens für verrückt gehalten, aber viel mehr passierte nicht.

Sie sind dann aus der Salzburger Gesellschaft, die offenbar voller Standes- und Klassendünkel war, durch einen zufälligen Ferienjob ausgebrochen. Am Max-Reinhardt-Seminar, wohin Sie ursprünglich wollten, wurden Sie nicht aufgenommen …

Skwara: Das stimmt. Ich lernte aber bei den Salzburger Ferienkursen für Musik zwei weltberühmte Geiger kennen, Ivry Gitlis und Henryk Szeryng. Ich habe dort als eine Art technischer Assistent und Mädchen für alles bei Plattenaufnahmen gearbeitet. Am Ende der Sommerkurse des Jahres 1967 sagte ich zu den beiden: Rettet mich aus Salzburg, rettet mich aus Österreich! Nehmt mich doch mit nach Paris!

Was die auch taten …

Skwara: Ja – und ich begann am Pariser Konservatorium Musikgeschichte zu studieren, wofür ich überdies auch noch ein Stipendium bekam. Dieses Stipendium hat allerdings nie sehr lange gereicht, zu Monatsbeginn war es schon mit Austern und Hummern verfressen. (lacht) Alles, was ich mein Leben lang nie bekommen hatte, war plötzlich da. Ich habe nie verstanden, warum jemand lieber ein Wiener Schnitzel als einen Hummer essen kann! In Paris konnte ich nach meiner Façon leben.

Wie konnten Sie sich das leisten?

Skwara: Ich habe Gitlis und Szeryng gebeten, bei ihnen arbeiten zu können. Sie ernannten mich zu ihrem Privatsekretär. Dabei hatte ich nicht viel zu tun. Ivry Gittlis, der um sechs Uhr früh schlafen ging, musste ich jeden Tag um zwei Uhr nachmittags aufwecken. Danach gingen wir gemeinsam zum Essen, und dann schickte er mich weg, weil er mich nicht mehr brauchte. Bei Szeryng war er genau umgekehrt: Er wollte mich nur zum Reden beim Abendessen. Ich habe ganz offiziell für die beiden gearbeitet und wurde ziemlich viel in der Welt herumgeschickt. So kam ich auch nach Japan. Eine Konzertreise mit Szeryng führte mich nach San Diego, wo ich dann dreißig Jahre lang eine Professur innehatte.

Was war mit dem Mai ’68 in Paris, der Revolte der Studenten, hat Sie das nicht interessiert?

Skwara: Die Demonstrationen und Protestaktionen spielten sich im Quartier Latin ab. In der Rue Gay Lussac, die direkt am Jardin du Luxembourg vorbeiführt, haben die Studenten Autos angezündet und Geschäftsauslagen eingeschlagen. Das waren eigentlich die wildesten Szenen. Direkt daneben, im Jardin du Luxembourg, blühte alles: Flieder, Magnolien und Gladiolen. Die Frage war für mich ganz einfach: Was ist wichtiger: die Schönheit des Gartens oder die Hässlichkeit der brennenden Autos und berstenden Scheiben? Ich habe die Scheiben und brennenden Autos ignoriert und die Blumen umarmt!

Die Entscheidung war so einfach?

Skwara: Ganz und gar nicht. Ivry Gitlis war „pro 68“ und nahm auch an den Studentenprotesten teil. Er hat in Auditorien und auf der Straße sogar Konzerte gespielt. Anders Szeryng, der nicht einmal kapierte, was da eigentlich los war. Er sagte zum Taxifahrer: Machen Sie einen Umweg um diese Dinge. Es waren zwei Parallelwelten, in denen ich mich bewegte. Doch für mich selbst war es eine Frage der Schönheit. Ich war nicht nach Paris gekommen, um Hässliches zu finden, das kannte ich aus meinem Vorort in Salzburg zur Genüge. Paris war für mich das Gegenteil: grandios und herrlich. Was die Studenten und Intellektuellen der Achtundsechzigerbewegung eigentlich wollten, habe ich nicht begriffen.

Sie meinen, dass sich die Studenten nicht ­dafür interessierten, was Sie als Schönheit empfanden?

Skwara: Jegliche Art von Schönheit wurde damals regelrecht angegriffen. Man hat Schönheit nicht nur nicht mehr bewundert, man wollte sie zerstören. Im Deutschen wurde das Wort „Schönheit“ zwanzig Jahre lang kaum mehr benutzt, es war verpönt und wurde von allen runtergemacht. Das Wort erweckte Misstrauen. In Italien hingegen hört man ständig „bello“ oder „bella“. Deshalb kann man hier leben. Schönheit ist genauso wichtig wie der Wein beim Essen und die Luft zum Atmen.

Folgerichtig haben Sie eine Zeitlang in Italien studiert, sind dann aber nach Deutschland gegangen und bei der Deutschen Grammophon gelandet …

Skwara: Ich war dort Hauptkoordinator einer Zeitschrift der Deutschen Grammophon, die so tat, als handle es sich nicht um Werbung. Sie erschien in fünf Sprachen, ich schrieb ein Drittel der Artikel. Auf diese Weise lernte ich eine ganze Reihe großer Künstler kennen: Nathan Milstein und Jascha Heifetz, zwei weitere Geiger in meinem Geigenperlencollier. Eine Zeitlang war ich in der Welt der größten Musiker beinahe zuhause. David Oistrach gehörte dazu, oder auch der Pianist Emil Gilels. Als er im Musikverein auftrat, wurde ich nach Wien geschickt. Ich wohnte im Hotel Imperial direkt neben ihm. Als ich Gilels, der gut Deutsch sprach, zum Abendessen einlud, meinte er: „Junger Mann, sind Sie sicher, dass Sie mich einladen können? Ich kann mir das nämlich nicht leisten.“ Damals herrschte Kalter Krieg und Gilels erzählte mir, dass er selbst nur fünf Prozent der Gage bekam, den Rest streifte die sowjetische Botschaft ein. Ich habe auch den Pianisten Swjatoslaw Richter getroffen. Er war so berühmt, dass er es sich leisten konnte, offen darüber zu schimpfen, wie sehr die russischen Musiker bei den Gagen betrogen wurden.

Sie haben zu dieser Zeit schon Literatur geschrieben – Gedichte und Ihren ersten Roman …

Skwara: Ich hatte immer geschrieben. Aber damals verlegte ich mich vor allem auf Prosa. Mein erstes Buch, „Pest in Siena“, das ich sicher zwanzig Mal umgeschrieben habe, ist mir bis heute auch das liebste Buch geblieben. Es war ein Sprung ins Wasser, ohne zu wissen, ob ich schwimmen kann.

Das Buch erschien Mitte der 1970er-Jahre – warum sind Sie dann nach Amerika gegangen?

Skwara: Ich möchte die Zeit, als ich in Italien und dann in Deutschland lebte, nicht missen, aber damals war für mich einfach Amerika an der Reihe. Ich ging dorthin, weil ich mich in ein Mädchen verliebt hatte. Ich habe eigentlich alles, was ich in meinem Leben getan habe, durch Verliebtsein entschieden. Amerika war für einen jungen Menschen wie mich ein Versprechen. Ich war vierundzwanzig und alles, was ich mir in Europa nicht hatte vorstellen können, schien dort möglich. Politik hat auch dort keine Rolle gespielt.

Obwohl es die Zeit des Vietnamkrieges war.

Skwara: Für mich war es eben nicht das Amerika des Vietnamkrieges. Ich habe weder den Vietnamkrieg wahrgenommen noch verstanden, was Menschen in Europa meinten, wenn sie „Nixon raus aus Vietnam!“ an die Mauer schmierten. Mir war es wichtiger, das beste italienische Restaurant in Baltimore herauszufinden.

Das klingt nicht rasend sympathisch. Sie wurden dort rasch promoviert und bekamen auch rasch einen Lehrauftrag an der Georgetown University in Washington DC.

Skwara: Ich habe mein Doktorat über den Exilautor Hans Sahl gemacht, mit dem ich dann auch eng befreundet war. Er lebte bis Ende der 1980er-Jahre in den USA und starb dann kurz nach seiner Rückkehr in Deutschland. Es gab damals in Amerika noch Teile dieser ehemaligen Exilszene, auch Friedrich Bergammer, der in New York lebte, wurde ein guter Freund. Diese Menschen waren faszinierende Figuren der Literaturgeschichte. Die Begegnungen mit ihnen haben meine Nostalgie nach Vergangenheit mehr als befriedigt. Zugleich war das Leben dort eine Fortsetzung des Schönen und Großen aus Paris, dazu kam noch der Himmel über New York, der für mich eine außerordentliche Klarheit besaß.

Erich Wolfgang Skwara – ein Romantiker?

Skwara: Ich empfand diese Dinge als sehr wichtig. Aber es war mir genauso wichtig, zum Grab von Edgar Allan Poe zu gehen. Ich bin ja ein Grabfanatiker und deshalb einmal sogar nach Brasilien zum Grab von Stefan Zweig gefahren. Wenn es sein muss, fahre ich zweimal um die Welt, um ein bestimmtes Grab zu finden. So habe ich zum Beispiel das Grab von Hermann Broch entdeckt. Wenn ich zurückdenke – es gab für mich Graberlebnisse, die wichtiger waren als die Begegnung mit lebendigen Menschen.

Die Politik hat Sie dann doch eingeholt, und zwar aus Europa. In Form von harscher Kritik an einem Aufsatz mit dem Titel „Das Proletarische in der neuen deutschen Literatur“ …

Skwara: Ich hatte an der Universität in Pennsylvania einen Vortrag zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur gehalten, über die Bücher von Innerhofer und ähnlichen Autoren, die aus dem Bauern- oder Arbeitermilieu stammten. Eliten wurden damals rigoros abgelehnt. Für mich stellten Eliten aber zu jeder Zeit und in jeder Geschichts­epoche ein wichtiges Phänomen dar. Es waren immer die Eliten, die die Welt machten. Nach 68 wurde all das kleingeredet. Wie ich schon sagte: Schönheit wurde abgelehnt, wobei das Leben ohne Schönheit nicht denkbar ist. Die Wiener Autorin Jeannie Ebner, die mich sehr mochte und für deren Zeitschrift Literatur und Kritik ich damals öfter schrieb, hat diesen Vortrag abgedruckt. Mir wurde dann „Rechtsdrall“, gleich in Frakturschrift gedruckt, vorgeworfen, und welch faschistoider und gemeiner, rechter Autor ich doch sei. Die Geschichte berührte mich nicht besonders, aber irgendwie ist sie mir dann doch ein Leben lang nachgehangen. Mein größter Feind in Wien war aber der in Österreich so hochgelobte, mittlerweile verstorbene Literaturpapst Wendelin Schmidt-Dengler. Er hat einfach abgelehnt wahrzunehmen, dass es mich gibt.

Sie meinen, das war der Grund, warum Sie in Österreich kaum rezipiert wurden?

Skwara: Wissen Sie, ich habe wirklich zwei Leben gelebt: mein Leben vor und nach Amerika. Ich kam auch weiterhin jedes Jahr in diversen Funktionen vier, fünf Monate lang nach Europa, aber bei mir kam eine Amerika-Dimension dazu, die meine alten europäischen Sichtweisen verändert hat. Ich kann mit politischen oder ideologischen Begriffen eigentlich gar nichts anfangen. Für mich ist alles ohne Belang, was ein „Ismus“ ist – egal ob es sich um Katholizismus, Kommunismus oder Kapitalismus handelt.

Weil Sie immer eine quasi klassische Form von Literatur im Auge hatten? Hat dabei der Einfluss der Musiker eine Rolle gespielt?

Skwara: Die klassischen Musiker dürfen – oder müssen – es sich leisten, permanent in ihrer Welt der Kunst zu leben, während sich Literatur immer schon an der Gesellschaft orientiert hat. Man kann ja mit guten Gründen sagen, dass auch Goethe schon ein politischer Autor war. Die Literatur war immer ein Spiegel der Gesellschaft und deshalb auch dem Wandel der Gesellschaft unterworfen. Genau das wollte ich aber nie! Das ist auch ein Grund, warum ich mich der sogenannten Kollegenschaft, die es nicht wirklich gibt, nie verbunden fühlte. Infolgedessen wurde ich selbst auch nicht wahrgenommen, ja in gewisser Weise sogar verstoßen. Ich bin aber überzeugt, dass Literatur, die sich an der konstanten Bewegung der klassischen Musik orientiert, durchaus Gültigkeit hat.

Was meinen Sie genau?

Skwara: Es geht ja dabei immer um unser Leben, und das Leben der Menschen hat sich im Grunde nicht verändert. Was sich verändert hat, sind Politik, Wissenschaft und Technik. Wenn ein Römer vor zweitausend Jahren Zahnschmerzen hatte, war es derselbe Zahnschmerz wie heute, nur mit dem Unterschied, dass ich heute zu einem gut ausgebildeten Zahnarzt gehen kann. Die rein existenzielle Erfahrung von Schmerz, Trauer, Verlassenwerden oder Nichterhörtwerden ist dieselbe bei einem Ägypter, Griechen oder Römer vor Tausenden Jahren wie bei einem Menschen heute. Dass die Menschen das jetzt nicht mehr sehen oder nicht mehr sehen können, genau das mache ich unserer Welt zum Vorwurf! Das ist auch das Schöne am Menschsein, dass sich daran nichts verändert hat.

Es gibt aber Autorenkollegen wie Martin Walser oder Peter Handke, die Sie als Autor sehr schätzen.

Skwara: Ja, es gibt einige Schriftsteller, die mich mögen. Zum Glück! Handke sagte mir einmal: Sie sind einer der wirklichen Schriftsteller. Er meinte immer, die Schriftsteller seien die gutbösen Dämonen, von denen es aber nur wenige gebe. Er war mir gegenüber immer sehr ehrlich und lehnte manche Bücher auch völlig ab. Über „Eis auf der Brücke“ schrieb er mir: Mit diesem Buch haben Sie mir nicht gutgetan. Über ein anderes Buch wie „Heimliche Könige“ bemerkte er: Wolfgang, Sie sind am Ziel. Dieses Buch hat absolute Größe. Wenn er lobt, lobt er wirklich. Und weil er beides kann, loben und verwerfen, ist er auch glaubwürdig.

Haben Sie Österreich, das in Ihren Büchern gelegentlich auftaucht, nie vermisst?

Skwara: Ich habe in Amerika in den ersten zehn Jahren an der Ostküste gelebt, in Baltimore und Washington, D. C. Alles war traumhaft schön: die Ostküste mit ihrer Geschichte, New England, Boston, New Hampshire. Ich fuhr alle paar Monate nach Paris, verdiente an der Uni sehr gut, und all meine Tätigkeiten ließen sich mit dem Schreiben wunderbar vereinbaren. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Österreich hat mir bis zum heutigen Tag keine Sekunde gefehlt! Aber ich hätte mir gewünscht, dass man in Österreich und Deutschland zumindest bemerkt, dass ich deutschsprachige Bücher schreibe.

Das klingt jetzt doch ziemlich melancholisch!

Skwara: Ich muss Ihnen sagen, es ist zwar schade im Sinn der Karriere, aber es ist mir auch egal. Ich hatte meine Bücher vom Anfang an bei den besten Verlagen, bei Ullstein, Claasen, Nymphenburger, Suhrkamp, Insel, Rowohlt, Hoffmann und Campe. Und neben den bösen gab es immer auch gute Rezensionen. Nur in Österreich gibt es mich so gut wie gar nicht. Ich habe Österreich mit neunzehn verlassen, vielleicht verdiene ich hier keine Aufmerksamkeit.

Sie haben einmal geschrieben: Jeder Bankrott wird zum Sieg, wenn wir ihn nur mit eigener Stimme eingestehen. Ist das ein Resümee Ihres bisherigen Lebens?

Skwara: Das ist ein Satz, der einen interessanten Widerspruch beinhaltet. Ich stehe zu diesem Satz, aber es müsste heißen: Alles ist misslungen. Doch habe ich im vorigen Jahr meinen letzten Roman fertiggestellt und gleich mit einem neuen begonnen – ich hatte plötzlich das vielleicht kindische Gefühl, dass ich das Wichtigste überhaupt erst ­schreiben muss! Das muss jetzt schnell gehen, weil die Zeit knapp wird. Ich kann mich nicht mehr blöd herumspielen, ich habe noch zwei weitere Bücher im Kopf, und mit ein bisschen Glück könnte sich das ausgehen. Dann könnte ich sterben. Aber abgesehen davon muss ich noch meine Tagebücher aufarbeiten – das sind immerhin vierzigtausend Seiten. (lacht)

Dann bleibt nur noch die Frage an den Grabfanatiker: Wo möchten Sie begraben werden?

Skwara: Eingegraben möchte ich nicht werden – ich möchte kremiert werden. Ich bin der Meinung, dass man Platz sparen muss. Man kann mich in Mexiko verbrennen und die Urne dann nach Salzburg stellen. Dort sind meine Mutter und mein Vater und ein paar Freunde. In Florenz wäre es auch ganz gut – aber vielleicht könnte sich darüber jemand ärgern. Auf keinen Fall möchte ich in Amerika begraben sein. Ich bin Europäer und gehöre zu Europa. Also: Paris ist gut, Florenz ist gut, aber Salzburg ist am besten. Schon aus Rache! (lacht)

Bücher von Erich Wolfgang Skwara:

Benjamin Constant: „Adolphe“ (Matthes & Seitz)
Übersetzung und Nachwort: Erich Wolfgang Skwara
Der junge Adelige Adolphe erobert Elléonore, die Geliebte eines anderen. Aus der flüchtigen Liebschaft wird ein beklemmendes Kammerspiel über Abhängigkeit, Zweisamkeit als Gefängnis und Nähe als Fessel. Constant bezeichnete den Roman als „meine eigene Geschichte“ – ein Klassiker für alle Verliebten und alle, die sich vor der Liebe fürchten.

Pest in Siena. Tagebuch zur Probe“ (Edition Korrespondenzen)
Skwaras lyrisch-essayistisches Romandebüt aus 1976 hebt bis zur Arroganz selbstbewusst an: „Jeder, fast jeder missverstand Don Juan, und überhaupt war er unbegründet zur Allegorie für den schürzenjagenden Pöbel geworden. Als käme es nicht darauf an, wer verführt …“ Der skrupellose Verführer und Mörder, auf den eigentlich die Hölle wartet, wird als Chiffre eines sterbenden Europas neu gestaltet. Hintergrund sind eine herrliche Stadt und eine entsetzliche Krankheit. Die Neuausgabe enthält ein zeitgleich geführtes Tagebuch des Autors „als kleine Investition gegen meine Angst vor der eigenen Zukunft“.

Mare Nostrum oder Ein Bahnhof für jene, die ankommen“ (Edition Korrespondenzen)
In der französisch-italienischen Grenzstadt Menton treffen einander für drei Tage der Erzähler und eine italienische Pianistin. Sie haben sich vor fast einem Vierteljahrhundert bei den Sommerkursen in Salzburg kennengelernt, seither aber nicht mehr gesehen. Verflochten in das unverhoffte Wiedersehen unter dem Licht des Südens ist die Erinnerung des Erzählers, der schon als Sechzehnjähriger einmal an diesen Ort geflohen war. Die Frage, ob es möglich ist, Versäumtes nachzuholen, wird mit hoher Finesse und künstlerischer Strenge abgehandelt. Wie heißt es da: „Er hat sein Leben mit der Liebe zugebracht, er hat Jahrzehnte damit vergeudet.“

Erich Wolfgang Skwara (c) privat
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