Anzeiger 5/2021 – Gelungenes Gedicht, ein Glück

Zum ersten Mal, sagt Stephan Eibel, sei er stolz auf ein Buch, den Gedichtband „decke weg“. Sein Glück erläutert der Dichter anhand einiger Stationen aus seinem Leben.

Interview: Erich Klein

Stephan Eibel wurde 1953 in Eisenerz in der Steiermark geboren und lebt seit 1979 als freier Schriftsteller in Wien. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre, studierte Soziologie, arbeitete als Lohnverrechner und Leiter der Autorensendereihe „Literatur im Untergrund“ für den ORF. Er ist Autor von Lyrik, Erzählungen, Romanen und Theaterstücken, kürzlich erschien mit „decke weg“ (2021) sein dritter Gedichtband im Innsbrucker Limbus Verlag.

Stephan Eibel, Ihr neuer Gedichtband ist …

Stephan Eibel: Das erste Buch, auf das ich stolz bin.

Einzelne Wörter bekommen bei aller Lakonie unglaubliches Gewicht …

Eibel: Sie meinen die „wörter zur dritten leonoren-ouvertür“? Die Idee von ­Beethovens „morgen“ ist gewaltig. Das kann jeder ­schreiben, aber die Idee des „morgen“ zu erfassen ist nicht so einfach. „Morgen“ kann alles Mögliche sein – morgen muss dies oder jenes getan werden; morgen habe ich Matura. Doch plötzlich spüre ich das „morgen“ im Bauch.

Das Gedicht entstand nach Ihrem zweiten Herzinfarkt?

Eibel: Ja. Ich habe die „Leonoren-Ouverüre“ während der Fahrt von Eisenerz nach Wien im Radio gehört und gedacht, ich muss ein Gedicht schreiben. Es ist sofort nicht gelungen. (lacht) Ich konnte es nur durch Rauchen erreichen, wie ich mir alle Texte lange erarbeiten muss, durch Probieren und Rauchen. Manchmal brauche ich dafür dreißig Jahre.

Nach einem Herzinfarkt hat „morgen“ eine ­besondere Bedeutung. Ein Mysterium?

Eibel: Mysterium? Ich habe immer an den Tod gedacht, der Tod war immer bei mir. Tod und Universum sind in meinen Gedanken immer da.

Koketterie?

Eibel: Ohne Koketterie! Ich hatte bei meinem Herzinfarkt keine Angst, dass ich sterbe. Alle anderen schon – ich war eher ruhig. Die Wiener Berufsrettung ist sehr gut organisiert, aber es geschah etwas, was sonst kaum passiert: Es wurden gleichzeig zwei Akutpatienten eingeliefert, und es gab nur einen OP. Der andere war jünger als ich, schrie fürchterlich und wurde zuerst drangenommen. Ich merkte, dass meine Schmerzen stärker werden, dann gab es nur noch die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung. Zum Glück hat es funktioniert. Ich habe überlebt. In solchen Momenten geht es mir dann um Aktivität: Ich wollte unbedingt ein Gedicht schreiben.

Im Krankenhaus?

Eibel: Ja. (lacht)

Hat sich Ihr Schreiben verändert?

Eibel: Nach dem ersten Herzinfarkt habe ich weitergemacht wie vorher. Immer Druck, immer Abgabe. Nach dem zweiten sagten die Ärzte: Sie müssen aufhören zu schreiben. Ich hatte mich bis dahin selbst belogen und gedacht, dass ich ohne Schreiben nicht leben kann. Bei mir muss immer etwas passieren, entweder schreibe ich oder ich administriere mein Leben, stelle Geld auf oder dergleichen. Plötzlich war mein Hauptgeschäft, das ­Schreiben, weg.

Woher diese Idee, immer schreiben zu müssen?

Eibel: Mit Franz Schuh saß ich in einem Kaffeehaus am Judenplatz, als im „Mittagsjournal“ Thomas Bernhard sagte, dass er ohne Schreiben nicht leben möchte. Ich war damals fünfundzwanzig, Schuh dreißig, beide haben wir gelacht und gesagt: „Wie kann man nur so deppert sein!“ Uns ging es damals um Freiheit, Revolution und Geist und nicht um die Beruflichkeit des Schreibens. Eine Fortsetzung erlebte ich mit fünfunddreißig während der Fahrt zu einer Lesung mit Gert Jonke. Wir saßen im Speisewagen, und Jonke sagte plötzlich: „Ich habe überhaupt keine Zeit. Ich werde fünfzig, und jeder österreichische Schriftsteller muss bis zu diesem Alter einen Roman über die Zeit, in der er lebt, geschrieben haben.“ Ich dachte damals, jetzt ist auch der Jonke in der Beruflichkeit angelangt. Als ich vierzig war, sagte meine Verlegerin: „Stephan, du musst einen Roman schreiben, mach nicht immer nur Theaterstücke und Gedichte.“ Ich kassierte gleich einen Vorschuss und schrieb den Roman „In Österreich weltbekannt“. Mit Gedichten hatte ich damals abgeschlossen.

Sie stammen aus Eisenerz und hatten diesen Ort sogar in Ihren Namen aufgenommen. Was waren Ihre Eltern?

Eibel: Arbeiter. Ich bin in einer Bergarbeitersiedlung aufgewachsen. Mutter ist Eisenerzerin, der Vater war Brecherwärter am Erzberg, sehr fleißig und hat viel gespart. Wenn ich am Klo war, hat er das Licht abgedreht: „Zum Scheißen brauchst kein Licht.“ Sein Fleiß brachte uns früh einen Fernseher. Ich sah dort Georg Kreisler, er trug einen Anzug und sang Dinge, wofür du in Eisenerz Watschen bekommen hast. Bei Qualtinger als „Herr Karl“ war meine Reaktion: Das ist nicht Steiermark. Steiermark ist ärger.

Leben die Eltern noch?

Eibel: Der Vater nicht. Die Mutter stirbt jetzt und sagt, sie habe so viele Fehler gemacht. Sie hat so gesund gelebt, dass das Sterben jetzt lange dauert. Dank meiner Mutter habe ich überlebt. Bei uns sind alle ständig verdroschen worden – nicht nur Ohrfeigen, sondern so richtig, mit einem Riemen. Ich habe meine Schwester einmal gefragt: Kannst du dich erinnern, warum wir verdroschen wurden? Sie konnte sich nicht erinnern. In der Siedlung war das üblich.

Die ersten wichtigen Bücher?

Eibel: Richtig geliebt habe ich ein großes Märchenbuch. Die Geschichten selbst mochte ich nicht – selten las ich die Märchen bis zum Ende, weil sie meist schlecht ausgehen. Mit elf bin ich in Krimis gekippt, in der ­Bibliothek ausgeborgt. Danach kamen Landser-Hefte, die ich auch nicht mochte. Was mir gefiel, war Jerry Cotton, jede Woche kaufte ich einen. Am Samstag war er ausgelesen und ich gab ihn an einen Freund weiter. Bücher wie „Moby Dick“, die in der Schule empfohlen wurden, waren nicht meins, ich fand das brutal. Nach fürchterlich langweiligen „Angelique“-Romanen, in denen ich mir Bilder erhoffte, kam ich mit sechzehn zu Chandler. Im polytechnischen Schuljahr erwischte mich ein Lehrer mit einem Jerry Cotton unter der Bank und erklärte mir, wie verkommen und verrottet ich sei. Es gab damals Propaganda gegen Schmutz und Schund.

Das Schreiben begann wann?

Eibel: Das wurde mir in der Hauptschule abgewöhnt. Wir sollten einen Traum beschreiben. Ich schrieb, dass in Eisenerz nur mehr hundert Leute arbeiten, weil Arbeiter abgebaut wurden. So brachen Eisenerzer auf Suche nach Arbeit in die Welt auf, wobei ihre Mitreisenden auf mysteriöse Weise verschwanden. Der Grund dafür war der Gestank von Quargel-Käse, den die Eisenerzer aßen.

Ein verwegener Traum …

Eibel: Der einen realen Hintergrund hatte. In unserer Siedlung haben alle Männer Quargel gegessen – ein Geruch, der nur schwer zu ertragen ist. Für die hundert Arbeiter, die in meinem Traum übrig blieben, bekam ich vom Lehrer sofort zwei Ohrfeigen: „Was du da zusammenschreibst.“ Ich wurde zum Direktor gebracht und musste auf einem Scheit in der Ecke knien. „So etwas darfst du nicht einmal denken“, sagte er. Damals haben in Eisenerz viertausend Menschen gearbeitet, heute sind es zweihundert. Mein erster und letzter Aufsatz in der Hauptschule – alle weiteren schrieb meine Mutter. Sie bekam immer ein Sehr gut, die Mutter meines Freundes immer nur einen Dreier! (lacht) Dreißig Jahre später behauptete der Lehrer: Es war klar, dass du Schriftsteller wirst, du hast schon damals so gute Aufsätze geschrieben. Schreiben wurde mir ausgetrieben, aber nicht das Lesen  – mit sechzehn las ich die Mittelschullektüre von Freunden, mit denen ich Fußball spielte. Raimund, Nestroy  – alles in den Reclam-Heften.

War es eine Kränkung, nicht ins Gymnasium zu gehen?

Eibel: Nein. Ich habe die Schule gehasst! Mir ging es darum, möglichst schnell aus ­Eisenerz wegzukommen.

Es kam anders …

Eibel: Ich lernte Bürokaufmann und Verkäufer in Eisenerz, wurde Lehrling und dachte viel an Sex. Schließlich kündigte ich, packte meine Sachen ins Auto und fuhr, ohne dass meine Eltern davon wussten, nach Linz. Zuversichtlich, bei der VOEST Arbeit zu finden, ging ich in das Verwaltungsgebäude, zeigte meine Zeugnisse und sagte: „Ich möchte hier arbeiten.“ Man sagte mir: „Kommen Sie in einem halben Jahr wieder.“ Drei Tage später ging ich noch einmal hin und sagte: „Ich kann doch meinen Eltern nicht erklären, dass ich nicht einmal bei der VOEST Arbeit finde. Da kann ich mich gleich aufhängen.“ – „Na gut, wenn der Betriebsarzt erklärt, dass Sie gesund sind, fangen S’ halt an.“

Ein erster Erfolg …

Eibel: Ich hatte damals erstens die Vorstellung, ich werde Chef einer mittelgroßen Firma mit dreitausend Beschäftigten und bringe Arbeitsplätze nach Eisenerz. (lacht) Zweitens: Ich heirate eine Jungfrau und habe mit ihr zwei Kinder. Dann hatte ich ein einschneidendes Erlebnis: Der damalige Verwaltungschef Grünwald, später Chef der ÖIAG, lud mich wie jeden Neuen zu sich in den obersten Stock hinauf. Dort war es ruhig, zwei Sekretärinnen, ein langer roter Teppich, Grünwald saß an einem riesigen Schreibtisch, auf dem nichts als ein Telefon stand. Ich fing an zu lachen. „Was haben S’ denn, warum lachen S’?“ – „Das kommt mir so lächerlich vor, Sie haben nicht einmal ein Blatt Papier am Schreibtisch liegen.“ Zu Hause hatte ich gelernt, dass man immer etwas tun muss. Ich durfte daheim nicht im Liegen lesen. Durchgehend musste man zeigen, dass man etwas tat. In diesem Büro verstand ich, dass du als normaler Mensch keine Karriere machen kannst.

Der Direktor?

Eibel: Sagte, dass er auf seinem Tisch nicht mehr brauche. Ich fragte ihn: „Warum tun Sie nicht wenigstens so?“ Darauf er: „Weil das bei mir nicht mehr wichtig ist!“ Das war mir sehr sympathisch! In Linz habe ich erstmals erlebt, dass auch ich eine Existenzberechtigung habe. In Eisenerz war das nie sicher gewesen. Nach der Begegnung mit dem Direktor hatte ich eine Existenzberechtigung, aber auch ein neues Problem – kein Ziel mehr. Was sollte ich weiter machen? Ich schrieb eine Erzählung: „Beobachtung über Personen in psychologischer Hinsicht“. Ich las damals die Biografie von Freud, auch ­Alfred Adler und C. G. Jung. Um eine Seite Jung zu verstehen, brauchte ich drei Stunden und kaufte mir dafür extra ein Fremdwörterlexikon. Am liebsten las ich so etwas im Zug, um zu zeigen, wie gescheit ich bin  – die Leute hat es aber nicht interessiert. (lacht) ­Jedenfalls beschloss ich, Psychiater zu werden, musste aber vorher noch zum Bundesheer. Am ersten Tag fiel ich sofort auf, weil ich den laut schreienden Spieß fragte, ob er glaube, dass wir schwerhörig seien. Nach drei Tagen hatte ich den ersten Strafdienst. Als ich Bücher von Alexander Neill über antiautoritäre Erziehung in meinem Fach aufstellte, wurde mir erklärt, falls ich so weitermache, sei das „Wehrkraftzersetzung“. Mir ging ziemlich der Reis. Es gab sehr merkwürdige Vorschriften – man musste auch salutieren, wenn man liegt oder sitzt. Auf diese Idee kommt man nicht so leicht. Das Ganze war für mich wieder eine Erweckung: Abseilen, wo immer es geht. Als guter Schütze sollte ich zu den Scharfschützen kommen, so begann ich, absichtlich daneben zu schießen.

Dann kam Wien.

Eibel: Es war klar: Ich muss Matura machen, um Psychiater zu werden. So log ich einem Vermieter vor, ich sei Psychologiestudent, bekam ein Zimmer und ging am nächsten Tag zur Maturaschule Roland. Vormittags in die Schule, nachmittags musste ich arbeiten – als „Psychologiestudent“ hatte ich gleich Nachhilfeschüler und lernte die erste Frau kennen. Sie schrieb mir ein Gedicht. Bis dahin hatte ich nur Erzählungen für mich selbst geschrieben. Ich antwortete auf ihr Gedicht mit einem, das natürlich länger sein musste als ihres, um an mein Ziel zu kommen. In allen möglichen Jobs versuchte ich immer, möglichst wenig zu arbeiten. Für einen Bürojob spielte ich den Psychologiestudenten, der Chef wollte dann psychologische Tipps von mir, um damit seine Leute zu durchschauen. Meine erste Liebe war eine Reformkatholikin und sagte, ich soll ihr den Teufel austreiben. Das habe ich gern getan – das Katholische kann sehr interessant sein. Als sie, die mir ein Gedicht geschrieben hatte, mich verließ, begann ich viele Gedichte zu schreiben. Damals waren Protestlieder angesagt – alles war Protest! Und ich habe Wien als eng empfunden, bis ich in einer Literaturzeitung auf einen Text von Gert Jonke stieß: Bist du g’scheit, wenn so etwas veröffentlicht wird, dann bist du selbst gar nicht so weit davon entfernt, dass sie auch deine Sachen drucken. Um Psychiater zu werden, musste ich Medizin studieren, doch wenn ich Blut sehe, werde ich bewusstlos. Also begann ich Soziologie und Philosophie zu studieren, als Linker auch Wirtschaft, und machte dort den ersten Abschnitt, aber dort war es nicht auszuhalten! Ich sympathisierte mit dem VSSTÖ, war aber nirgends dabei. Kommunisten erschienen mir fürchterlich dogmatisch und beim ersten Volksstimme-Fest als Kleinbürger, jedenfalls haben sie sich so gebärdet.

Ihre Vorbilder in der Literatur? 

Eibel: Ernst Jandl war für mich der Dichter, schon in der Maturaschule. Immer trug ich seinen Gedichtband „Laut und Luise“ mit mir, selbst beim Fußballspielen habe ich den anderen daraus vorgelesen. Wenn jemand Jandl nicht schätzte, sprach ich nicht mehr mit ihm, da war ich strikt. Mit ihm habe ich mich dann auch sehr gut verstanden, trotz harter Auseinandersetzungen. Er war ein richtiger sozialdemokratischer Funktionär, aber als Dichter für mich eben auch der Größte. Später sollte ich sie alle kennenlernen: Schürer, Jaschke, Priessnitz … Bei einem ORF-Wettbewerb hatte ich ein Gedicht eingereicht und gewonnen. Der Abteilungsleiter Hubert Gaisbauer fragte mich: „Was sind Ihre Lieblingsbücher?“ Ich nannte „Der kleine Prinz“ und „Die Möwe Jonathan“, die Lieblingsbücher meiner reformkatholischen Freundin – es waren auch seine. So fragte er mich, ob ich Bücher besprechen wollte. Für eine Jugendsendung. Ich antwortete, dass ich Bücher nicht zerreden möchte, kam aber mit einem Vorschlag für eine Sendereihe, der angenommen wurde. Beim Verlassen des Funkhauses dachte ich mir, wie schön, ich habe eine eigene Sendereihe, aber keine Ahnung, wie man das macht. Ein Glück – ich hatte immer Glück.

Sie haben den ORF nach einigen Skandalen und Konflikten verlassen.

Eibel: Im ORF eine Sendereihe aufzugeben, war reine Blödheit. Größenwahn, Hybris. Was dort aber auch passierte: Ich wurde dadurch radikalisiert. Zuvor eher Sozialdemokrat – Revolution ja, aber geordnet (lacht). Ich kam dadurch wieder ein Stück mehr in die Realität der Herrschaft.

Danach freier Schriftsteller: Theaterstücke, Drehbücher, Romane, Skandale …

Eibel: Ich konnte nur frei sein. Gedichte waren für mich immer eher ein Luxus – meine Hauptsache war die Prosa. Zunächst ein interessierter Student, bekam ich ein Hochbegabtenstipendium. Das war mir wichtig, denn falls ich ein Terrorist werden würde, sollte niemand sagen können, der Eibel war nur deppert. Deshalb war auch das Doktorat in Philosophie wichtig. Vor allem hat sich meine Mutter darüber gefreut, in der Zeitung „Dr. Stephan Eibel“ zu lesen.

Der Vater war auch zufrieden?

Eibel: Na ja, nicht besonders. Nachdem er meinen ersten Roman „Die geplante Krankheit“ gelesen hatte, hörte ich ihn zur Mutter sagen: „Er ist noch immer gleich deppert, noch immer undiplomatisch.“

War die Wiener Literatur für Sie wichtig?

Eibel: Natürlich die „first vienna working group“ – Joe Berger, Wolfi Bauer. Am Anfang war ich nur Zuhörer bei den literarischen Kämpfen zwischen Joe und Qualtinger. Ich kannte sie alle. Bauer war als Dramatiker ein Genie – übrigens wird gerade ein Fest mit Gedichten von Bauer und mir vorbereitet. Mit H. C. Artmann, der wunderbare Gedichte schrieb, hatte ich zunächst einen größeren Konflikt, später haben wir uns besser kennengelernt.

Kann man vom Gedichteschreiben leben?

Eibel: Nein, nur von Lesungen. Aber ich meine, dass Gedichte überall vorkommen sollten. Bei Vorstandssitzungen oder auch Gemeinderatssitzungen passt gut: „der herrenmensch wacht auf und ist schon besser / dem frühstück ist er haushoch überlegen / zu mittag isst er bereits hochanständig / nur nachts albträumt er von mann und frau.“ Oder alle in einer Redaktion sagen je ein Gedicht auf – die Schlimmen etwa: „mann mit hut sucht fut / findet kane, tuats allane.“ Das ist das Allerschlimmste: Sexualität im Gedicht. Darüber regen sich die Menschen am meisten auf – nicht über Morde. Ich glaube, es würde etwas ändern, wenn alle zehn ­Minuten ein Gedicht aufgesagt würde.

Vor allem, wenn wie in Ihrem Fall Gedichte von Profis wie Michael Heltau gelesen werden …

Eibel: Mir waren Schauspieler immer verdächtig, bis ich gehört habe, wie Elfriede Ott meine Gedichte regelrecht inszeniert. Unglaublich! Oder Michael Heltau, Maria Fliri, Wolfi Berger.

Bedeuten Gedichte Glück?

Eibel: Nach der Nationalratswahl 1999 habe ich wieder begonnen, Gedichte zu ­schreiben. Beim neuen Band war die Hauptidee, freier zu sein. Mittlerweile bin ich auch kein Dichter mehr, ich bin gar nichts mehr. Ich schreibe. Vor zwei Tagen hatte ich ein umfassendes Glücksgefühl, als mir ein Gedicht gelang. Kein Geld der Welt kann mich so glücklich machen wie ein gelungenes Gedicht – selbst wenn es lange gebraucht hat.

Warum haben Sie Erzberg aus Ihrem Namen eliminiert?

Eibel: Weil ich die Ignoranz dieser Erzbergstufe nicht aushalte. Es heißt, die Menschen seien nicht dumm. Nein, viele sind bösartig! 2015/2016, als so viele in Not waren und als Flüchtlinge nach Österreich kamen, gab es am Erzberg einige Wohlmeinende, aber auch viele Grauslichkeiten. Und was den Erzberg selbst betrifft – der Berg hat im vorigen Jahrhundert zweimal positiv bilanziert: im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Überhaupt hat die Steiermark einen viel zu guten Ruf.

 

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