„Gut ausgebildeter Nachwuchs ist für die Branche essenziell“
Die Zukunft der Buchbranche liegt zu einem nicht unwesentlichen Teil in der Ausbildung des Nachwuchses. Wir haben nachgefragt, was Auszubildende von einer Lehre im Buchhandel erwarten und welche Vorteile ausbildende Unternehmen haben.
Welche Anforderungen werden heute an den buchhändlerischen Nachwuchs gestellt und welche Anforderungen stellen Lehrlinge an die Ausbildung?
Friedrich Hinterschweiger (Fachverbandsobmann der Buch- und Medienwirtschaft, Buchhandlung Hinterschweiger KG, Murau): Die Anforderungen haben sich zunächst einmal sehr stark dadurch geändert, dass das Thema E-Commerce stark in den Vordergrund gerückt ist. Der Online-Handel und das Marketing in diesen Bereichen über Newsletter und Social Media sind heute wichtige Teile des Buchhandelsberufes. Auch der Umgang mit AutorInnen, das Veranstalten von Lesungen und Betreuen von Büchertischen sind wichtiger denn je.
Der wirtschaftliche Druck fordert von unserer Branche intensive Beratungsleistungen.
Die kaufmännischen Fähigkeiten sind Schlüsselqualifikationen für den Informationsdienstleister und Medienhändler und stehen krass im Gegensatz zu einer gestrigen Zunft der Leseratten.
Was macht eine Ausbildung im Buchhandel attraktiv und was wird getan, um die Ausbildung an das komplexer werdende Berufsbild anzupassen?
Elisabeth Knafl (Berufsschule für Handel und Reisen): Für mich ist das Attraktive an der Buchhandelsausbildung, dass man ein breites Allgemeinwissen erwirbt, mit jedem neuen Buch, jedem neuen Autor, Film, Verlag, Zeitschrift auch neue Ideen kennenlernt und praktisch nie stehen bleibt. Die Vielfältigkeit des Berufes spiegelt sich in den vielen unterschiedlichen Anfragen und Wünschen der KundInnen wider. Dass man mit der einen Ausbildung auch andere Berufsbefähigungen miterwirbt, ist ein Zusatzplus an der Ausbildung und hilfreich in der weiteren Karriere.
Derzeit werden die Lehrpläne aller Lehrberufe überarbeitet – dies ist sicher ein Schritt, um die Ausbildung an das komplexer werdende Berufsbild anzupassen. Die neuen kompetenzorientierten Lehrpläne verlangen einen fächerübergreifenden praxisorientierten Unterricht (Weg mit dem Kastel-Denken!) und sollen den Lehrlingen helfen, neben der Fachausbildung nicht nur ihre personalen und sozialen Kompetenzen stärker zu entwickeln, sondern auch unternehmerischer zu denken.
Gleichzeitig versuchen wir, durch Schulung unserer Lehrkräfte, Einladung von VertreterInnen und AutorInnen, Exkursionen u. a. zu den großen Buchmessen und Teilnahme in Form von Projektunterricht an der BUCH WIEN den Unterricht ständig auf aktuellem Stand zu halten und attraktiv zu gestalten.
Was erwarten Auszubildende von einer Lehre im Buchhandel? Und was macht ein gutes ausbildendes Unternehmen aus?
Constanze Puletz (Auszubildende Buchhandlung Leo): Von meiner Ausbildung erwarte ich in erster Linie gute Berufschancen im Sortimentsbuchhandel oder in einem Verlag, aber auch fundiertes Wissen in den Bereichen Literatur, Musik und Kultur und ich möchte nach der Lehre verschiedenste Aufgabenbereiche in einer Firma bewältigen können. Dafür muss sich die ausbildende Buchhändlerin/der ausbildende Buchhändler mit dem Lehrling wirklich auseinander setzen und ihn in alle Bereiche des Buchhandels einführen.
Darüber hinaus sind auch eine positive Gruppendynamik und regelmäßige Teambesprechungen in einem ausbildenden Unternehmen wichtig, denn das macht eine gute Zusammenarbeit im Team erst möglich und davon profitiert nicht nur der Lehrling.
Welche Vorteile bringt es Unternehmen, Lehrlinge auszubilden?
Michael Kratochvil (Geschäftsführer Buchhandlung Kuppitsch): Ich halte es für wichtig, jungen engagierten Menschen eine Chance zu geben, einen wunderbaren Beruf zu erlernen. Abgesehen davon ist gut ausgebildeter Nachwuchs für unsere Branche essenziell – und dieser ist meiner Meinung nach am ehesten über den Weg der Lehre zu bekommen.
In unserer Buchhandlung werden jeweils bis zu fünf Lehrlinge gleichzeitig ausgebildet und wir machen sehr positive Erfahrungen mit den Auszubildenden: Sie bringen neue Ideen ein, sie regen dazu an, eingespielte Abläufe zu hinterfragen und halten dadurch die ganze Firma in Bewegung. Oft tragen die Flexibilität, die Neugier und Lebensfreude zu einer besseren Stimmung im Team bei und das überträgt sich auf die KundInnen. Ich kann also nur empfehlen, einen Lehrling aufzunehmen.
Wie findet man geeignete Lehrlinge? Und was ist wichtig für ein gelingendes Ausbildungsverhältnis?
Barbara Kumpitsch (Filialleiterin Tyrolia Maria-Theresien-Straße 15, Innsbruck): Geeignete Lehrlinge zu finden, ist eine Kunst, mit der ich mich derzeit intensiv auseinander setze. Wir haben seit zwei Monaten eine Lehrstelle für die Abteilung Allgemeines Sortiment in unserem Stammhaus ausgeschrieben – und die eingehenden Bewerbungen sind bestenfalls kurios, oft sind sie voller Rechtschreibfehler und die beigelegten Zeugnisse bestätigen den schlechten Eindruck. Gleichzeitig gibt es auch ganz wundervolle BewerberInnen, die nach der Matura eine Vollzeitstelle suchen, aber eben keine Lehrstelle …
Eine 15- oder 16-jährige Schulabgängerin (oder gern auch einen männlichen Schulabgänger), die mitdenkt, allgemein gebildet und belastbar ist, den Kundenkontakt liebt und sich für Literatur interessiert, ist ausgesprochen schwierig zu finden.
Wahrscheinlich ist es auch zu wenig, die Lehrstelle nur auf unserer Webseite, mit einem Aushang in der Buchhandlung und beim AMS auszuschreiben. Am sinnvollsten wäre es vermutlich, direkt in die Schulen zu gehen und mit LehrerInnen und SchülerInnen über die Möglichkeit einer Ausbildung im Buchhandel zu sprechen.
Stellenausschreibung auf www.buecher.at
Ausbildende Unternehmen haben die Möglichkeit, Lehrstellen im Buchhandel über das Stellenportal von www.buecher.at auszuschreiben.
Arbeitsgruppe Lehrlingsoffensive
Um die Ausbildung des Branchennachwuchses zukunftsfähig zu machen, wurde innerhalb der Fachgruppe Wien der Buch- und Medienwirtschaft die Arbeitsgruppe Lehrlingsoffensive gegründet, der Ulla Harms, Christiane Eblinger, Andreas Gruber, Alexander Herrmann, Lili Knafl und Michael Kratochvil angehören.
Übersicht über Förderungen für Lehrbetrieb und Lehrlinge
Ein besonderes Service bietet die Lehrlingsstelle der WKÖ: Wenn gewünscht, kommen MitarbeiterInnen der Lehrlingsstelle in die Ausbildungsbetriebe und beraten vor Ort über mögliche Förderungen. Erste Informationen finden Sie auf dem Infoblatt und in einem Folder der Lehrlingsstelle.
Welche Förderungen das AMS zur Verfügung stellt, finden Sie hier.